Offener Brief an den Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig


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Abgeschickt von Berko Schulz am 13 November, 2001 um 22:30:58

Hallo Tröbigau,

anlässlich der aktuellen weltpolitischen Situation habe ich versucht, von meinem demokratischen Mitbestimmungsrecht Gebrauch zu machen und mich mit einem offenen Brief an unseren zuständigen Bundestagsabgeordneten, Herrn Klaus Brähmig (CDU) gewendet, den ich in der Sächsischen Zeitung rechtzeitig vor der entscheidenden Abstimmung veröffentlichen lassen wollte.

Dieser Bitte von mir wurde leider von der SZ nicht nachgekommen, wie ich es eigentlich auch erwartet habe. Deshalb will ich diesen Brief wenigstens hier am Stammtisch zum besten geben. Schließlich werden am realen Schmiedenstammtisch auch solche Themen erörtert. Vielleicht verirrt sich der Herr Brähmig ja zufällig einmal hierher.

Ich betone ausdrücklich, dass ich hier meinen persönlichen Standpunkt vertrete und nicht für die Tröbigauer Allgemeinheit sprechen möchte. Dennoch würde ich mich über viele unterstützende, aber auch kritische Kommentare zu diesem Brief freuen. Wir befinden uns in einer Situation, so meine ich, die man nicht mehr einfach so schweigend an sich vorbeigehen lassen kann.

Lange Rede, kurzer Sinn, hier mein Brief an den Abgeordneten:

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Offener Brief an den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Pirna-Sebnitz-Bischofswerda, Herrn Klaus Brähmig (CDU)

Sehr geehrter Herr Brähmig,

ich bin ein Einwohner Ihres Wahlkreises und habe Ihnen bei der Bundestagswahl 1998 meine Stimme für das Direktmandat gegeben. Deshalb möchte ich mich anlässlich der aktuellen politischen Situation mit diesem offenen Brief direkt an Sie wenden.

In der nächsten Woche steht die Entscheidung des Bundestags aus, ob sich Deutschland mit Truppen am aktuellen Krieg in Afghanistan beteiligen soll. Fast das gesamte politische Spektrum scheint sich darüber einig zu sein, diesen militärischen Einsatz zu billigen. Während es in den Regierungsparteien einige Widerständler gibt, demonstrieren die Oppositionsparteien CDU und FDP Geschlossenheit. Deshalb gehe ich davon aus, dass auch Sie beabsichtigen, der Kriegsbeteiligung zuzustimmen. Bevor Sie dies tun, bitte ich Sie jedoch eindringlich, auch die folgenden Kritikpunkte in Betracht zu ziehen:

1. Dieser Krieg wurde zwar von der NATO als Verteidigungskrieg erklärt, erfüllt jedoch nicht die völkerrechtlichen Bedingungen für einen Verteidigungskrieg. Afghanistan hat den USA und somit der NATO nicht den Krieg erklärt. U.a. deshalb handelt es sich völkerrechtlich um einen Angriffskrieg. Somit ist die Bundeswehr als Verteidigungsarmee verfassungsrechtlich nicht legitimiert, an einem solchen Krieg teilzunehmen. Zudem gilt nach wie vor der Grundsatz, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf.

2. Laut Proklamation handelt es sich um einen Krieg gegen den Terror, konkret gegen Osama bin Laden und dessen Terrororganisation El Qaida und mittlerweile auch gegen die afghanische Taliban-Regierung. Jedoch gibt es nach wie vor keinen öffentlichen Beweis, dass die Genannten tatsächlich für die schrecklichen Attentate vom 11. September verantwortlich sind. Wenn der Bevölkerung die Notwendigkeit dieses Krieges glaubhaft gemacht werden soll, muss erst einmal vollkommene Klarheit geschaffen werden, dass man gegen den wirklich Schuldigen kämpft. Solange keine klaren Beweise veröffentlicht werden, muss man leider davon ausgehen, dass möglicherweise keine solchen existieren.

3. Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass sich unsere Regierung regelrecht beim US-Verteidigungsministerium angebiedert haben muss, um sich endlich am Krieg beteiligen zu dürfen. Dazu wird argumentiert, dass Deutschland jetzt und in Zukunft mehr Verantwortung für die Weltpolitik übernehmen sollte und möchte. Es mag sehr verwegen klingen, aber für mich hört sich dies ein wenig nach imperialistischer Großmachtpolitik an, frei nach dem Motto „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Dass eine solche Art von Politik von unserer eigentlich eher links stehenden Bundesregierung betrieben wird, erschreckt mich zutiefst.

4. Das Volk, im Namen dessen Regierung und Bundestag handeln sollten, wird momentan völlig uninformiert im Dunkeln stehen gelassen, sowohl was die Beweise gegen die Verantwortlichen der Terroranschlägen betrifft, als auch betreffs der aktuellen Kriegssituation in Afghanistan. Stattdessen wird es mit Floskeln eingelullt, wie z.B. dass der Krieg gegen den Terror auch zur Verteidigung unserer Werte wie Freiheit und Demokratie in der Bundesrepublik wie in der gesamten westlichen Welt überhaupt geführt wird. Es fällt sicher nicht nur mir schwer nachzuvollziehen, wie die Bombardierung eines bettelarmen Landes sowie die Tötung und Vertreibung von tausenden Zivilisten zur Verteidigung der Demokratie beitragen könne. Ganz im Gegenteil, ich sehe unsere Demokratie eher zum jetzigen Zeitpunkt in Gefahr, da sich kaum noch einer der Volksvertreter für die Interessen und Sorgen des Volkes zu interessieren scheint.

Dies sind die wichtigsten Einwände, die ich gegen einen Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan hervorzubringen habe. Ich bin mir darüber bewusst, dass dieses Thema eigentlich einer tieferen Erörterung bedürfte, dies würde aber den Rahmen dieses Briefes sprengen. Aus den genannten Gründen bitte ich Sie eindringlich, in diesem Punkt nicht blinden Gehorsam gegenüber Ihrer Fraktion auszuüben, sondern im Namen eines großen Teils des Volkes, welches Sie vertreten, den Kriegseinsatz abzulehnen. Vielen Dank dafür im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen,

Berko Schulz
01877 Bischofswerda



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